Es gibt die verschiedensten Gründe, weshalb die Menschen die Natur besuchen: Manche von ihnen arbeiten dort, für andere ist es der Ausgleich zu ihrem Beruf. Es gibt jene, die Abenteuer suchen und jene, welche Ruhe finden. Einige tauchen ein, andere steigen auf. Jeder Beweggrund ist individuell und doch in jedem Fall verbunden mit dem Ursprung des Menschen. „Back to the roots“ und „Zurück zur Natur“ appellieren förmlich an eine Umkehr dorthin, wo weniger oftmals mehr ist. Die natürliche Umwelt lebt der Gesellschaft Einfachheit, Entschleunigung sowie Ruhe vor und erntet aufgrund der steigenden Digitalisierung im urbanen Gebiet zunehmend Begeisterung. So steigt die Zahl der Naturbesuche, wodurch sich mittlerweile jeder zweite Bürger wöchentlich in der Natur aufhält.
Womöglich ist die Rückkehr zur Natur unter anderem mit dem wachsenden Gesundheitsbewusstsein der Gesellschaft verknüpft. So geht aus einer Studie der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PricewaterhouseCoopers GmbH hervor, dass die Befragten sich mehr Angebote im Bereich der Gesundheitsförderung und Prävention wünschen. Die Studie erfolgte ein Jahr nach Ausbruch der Corona- Pandemie und befasst sich eingehend mit den veränderten Lebensbedingungen
in der Gesellschaft. Dabei stellte sich heraus, dass im Vergleich zum Vorjahr die Schlafprobleme und das Stressempfinden im Zuge der Pandemie gestiegen sind. Der kontinuierliche Anstieg des gesellschaftlichen Stresserlebens ist auch in einer aktuellen Studie der Techniker Krankenkasse wiederzufinden, die darüber hinaus einen signifikanten Zusammenhang zwischen häufigem Stress und schlechtem Gesundheitszustand feststellt. Das meiste Potential für eine nachhaltige Gesundheitsverbesserung liegt dabei aus Sicht der Befragten in der Verhaltensprävention.
Diese bis heute anhaltende und gesundheitsorientierte Neigung der Gesellschaft nahm ich zum Anlass, um basierend auf wissenschaftlichen Erkenntnissen auch Wanderangebote mit verhaltenspräventiven Gesundheitsaspekten zu verknüpfen. So entstand nach guten drei Monaten wissenschaftlicher Arbeit ein fundiertes Präventionskonzept für Naturwanderungen. Die konzeptionellen und gesundheitsorientierten Grundsteine sind unter anderem Erholung, Achtsamkeit und Positive Psychologie. Mit Hilfe dieses neu entwickelten Programms möchte ich die größte Sorge der pandemischen Zeit, das persönliche Wohlbefinden, durch den Trend „Zurück zur Natur“ lösen, das Stresslevel durch das Naturerlebnis senken und die persönliche Resilienz mit verschiedenen Impulsen aus den genannten Grundsteinen erhöhen.
Im vergangenen Jahr konnte ich das gesundheitsorientierte Wanderprogramm bereits zweimal für die Rosenheimer Sektion anbieten. Die Wandergruppe erhielt während der Bergtouren verschiedene Möglichkeiten an Entspannungs-und Achtsamkeitsübungen. Unter anderem wurde eine kleine Yogaeinheit durchgeführt, verschiedene Meditationen vorgestellt und ein positiver, reflektiver Austausch angeboten. Verschiedene Impulse sollen den Wandertag gesundheitsfördernd gestalten, sowie jedem Teilnehmer die Zeit geben, zur Ruhe zu kommen und aufzutanken.
2022 hat sich eine wunderbare kleine Gruppe für die Bergtouren ergeben. Die erste Wanderung erlebten wir zwischen Lenggries und der Eng im Rontal. Vom Treffpunkt in Hinterriß ging es hinauf auf den Hochalplkopf. Das Wetter war herbstlich, aber trocken und so konnten wir nach einigen hundert Höhenmetern durch den leise rauschenden Wald am Rontalbach und im anschließenden Tal herbstlich bunte Ahornbäume vor hohen, schneebedeckten Gipfeln betrachten. Kleine Impulse aus der Positiven Psychologie blieben bis dahin nicht aus. Im Anschluss
ging es einen Pfad weiter hinauf in Richtung des kreuzlosen Gipfels des Hochalplkopfs, der sehr viel Ruhe und Raum für unsere Gruppe bot. Nachdem der herrliche Ausblick auf die winterliche Torspitze und die weiß bezuckerte östliche Karwendelspitze zu einer kleinen Meditation einlud und darauffolgend eine gemütliche Mittagspause genossen wurde, folgte ein Abstieg mit bereicherndem Austausch und weiteren Übungsangeboten. Schließlich wanderten wir wieder gemeinsam durch den Wald zum Parkplatz und wurden auf diesem Teil des Weges noch von Lauten balzender Wildtiere überrascht. Nach der kleinen Yogaeinheit während des Abstiegs erreichten wir wieder unseren Ausgangspunkt. Alle verabschiedeten sich herzlich und mit leichten Urlaubsgefühlen kurz bevor die ersten Regentropfen vom Himmel fielen.
Das Wetter sollte allerdings ein paar Wochen später bei der zweiten Wanderung nicht annähernd so gut halten. Beim Treffpunkt in Hainbach herrschten gemischte Gefühle, nachdem der angesagte leichte Regen jede Minute zunahm. Es war ein kaltes, aber dennoch eindrucksvolles Erlebnis durch den Klausengraben zur Hofbauernalm aufzusteigen. Die unter Schirmen oder Regencapes versteckten tapferen Teilnehmer wurden mit einem (be)rauschenden Erlebnis entlang des Klausengrabens belohnt. Während der Bach im Sommer durch kleine Gumpen vor sich hin fließt und hier und da ein Zulauf von oben den Lauf befüllt, war an diesem Tag ein imposantes Naturspektakel geboten. Das Wasser rannte mit sich selbst um die Wette und kleine Wasserfälle rauschten von oben herab, was eine eindrucksvolle Geräuschkulisse bot. An diesem Tag sollten aufgrund der Bedingungen ein paar wenige Übungen genügen und auch der Gipfel der Sonnwendwand wurde leider aufgrund des Nebels nicht bestiegen. So nahmen wir bei der Hofbauernalm eine schnelle Brotzeit ein und traten wieder den Abstieg an. Der Regen hatte mittlerweile nachgelassen und so bot der feuchte Wald ein wunderbares Erlebnis für die Sinne. Nach der Stille zwischen Weiden, Moos und Bäumen gelangten wir beim letzten Wegstück erneut an den kraftvollen Klausengraben und jeder Teilnehmer konnte sehen oder spüren, welche Kräfte die Natur hier vorführt. In Hainbach merkten dann doch einige die Kälte im Köper aufsteigen und freuten sich bereits auf eine warme Dusche.
Nachdem bei allen Wanderungen auch der Medienkonsum achtsam behandelt werden soll, gibt es kaum Fotos der Touren. Umso mehr hoffe ich, dass diese kleinen Berichte der Tourentage ein wenig die Vorstellung unterstützen können.
Für das Jahr 2023 sind drei Termine für die Wandergruppe „Wandern, Meditation & Achtsamkeit“ geplant. Mittlerweile habe ich das Programm weiterentwickelt und angepasst und freue mich auch dieses Jahr, meine Begeisterung für das Leben und die Natur an Euch weiterzugeben.
Veronika Listl, Gruppenleiterin