© Florian Frank

DAV Expedkader in Patagonien – Bericht von Florian Frank

21.11.2025

Nach drei langen Reisetagen erreichten wir endlich El Chaltén am Fuße der eindrucksvollen Granitspitzen Patagoniens. Begrüßt wurden wir vom typischen patagonischen Wetter: Regen, Wind und tiefhängende Wolken. Doch wie kam es eigentlich dazu, dass wir für unsere Abschlussexpedition in den Süden Argentiniens gereist sind?
Ursprünglich waren wir uns in der Expeditionsplanung schnell einig, dass es in die Changla-Himal-Region in Nepal gehen sollte. Daher bereiteten wir im vergangenen Jahr alles vor, um vor Ort einen möglichst reibungslosen Ablauf zu haben und auch sportlich auf einem guten Stand für unsere Ziele zu sein. Doch es kam anders: Zwei Wochen vor dem geplanten Abflug brachen in Nepal politische Unruhen aus und die Entscheidung, ob wir trotzdem nach Nepal fliegen sollten oder nicht, wurde uns von den Verantwortlichen im Deutschen Alpenverein abgenommen. Ein anderes Ziel musste her und so fiel unsere Entscheidung auf Patagonien.

Bilder: Blick auf das Fitz Roy-Massiv

Bilder: Blick auf das Cerro Torre-Massiv

Trotz des anhaltenden Regens zeigte die Wetterprognose bald den ersten Lichtblick: Gegen Ende der Woche kündigte sich ein kleines, aber stabiles Wetterfenster an. Endlich eine Chance, unsere erste Tour anzugehen. Zusammen mit unserem Expeditionsarzt Bernhard Bliemsrieder (Bliemsi) beschlossen Luis Funk und ich (Florian Frank) die Aguja Guillaumet am nördlichen Ende des Fitz Roy-Massivs in Angriff zu nehmen. Die Zustiege zu den Touren in Patagonien sind meist lang und kräftezehrend. Also machten wir uns bereits am Vortag, mit schwerem Rucksack bepackt, auf den Weg. Schnee und Wind erschwerten das Vorankommen, und wir waren froh, als wir endlich den Biwakplatz erreichten. Dort stellten wir unsere Zelte auf, schmolzen Schnee für unser Trinkwasser und krochen nach dem Abendessen erschöpft in die Schlafsäcke. Eine windige Nacht stand uns bevor – was würde der nächste Tag bringen?
Bild: Zustieg zur Aguja Guillaumet

Bild: Überwindung des Bergschrunds

Am nächsten Morgen zeigte sich Patagonien von seiner besten Seite. Unser Ziel war die Mixed-Route „Coqueugniot-Guillot (250m, 70°, 5)“ an der Ostwand der Aguja Guillaumet. Früh morgens machten wir uns auf den Weg und standen zwei Stunden später am Fuße der Wand. Unsere größten Sorgen, der Zustieg und der Bergschrund, erwiesen sich trotz der erheblichen Schneemenge als gut machbar. Bald richteten wir den ersten Standplatz ein und die eigentliche Kletterei konnte beginnen. Steiles „Stapfgelände“ leitete uns zu einem kleinen Eisschlauch, welcher großartige Kletterei bot und uns zum Beginn einer Verschneidung führte. Diese erwies sich als deutlich anspruchsvoller als erwartet und hat uns einiges abverlangt. Doch Luis wusste sich mit ein zwei Tricks zu behelfen. Nach einem kleinen Abseiler erreichten wir schließlich das Rinnensystem, das uns zum Ausstieg führen sollte. Kurz darauf standen wir vor der letzten Seillänge. In Patagonien weht der Wind fast immer aus westlicher Richtung und prallt, nachdem er das Inlandeis überquert hat, mit voller Wucht auf das Cerro-Torre- und Fitz-Roy-Massiv. Da unsere Route ostseitig exponiert war, hatte uns der Wind eine ordentliche Ausstiegswechte beschert, die schon fast bedrohlich über uns thronte. Nach kurzem Zögern startete ich vorsichtig in die letzte Länge. Die ersten Meter erwiesen sich dann besser als erwartet: Unter dem losen Pulverschnee kam Eis zum Vorschein, das sowohl das Klettern als auch die Absicherung erheblich erleichterte. Doch dann steilte das Gelände auf und was bei guten Bedingungen ein leichter Ausstieg gewesen wäre, wurde zur echten Tortur – Pulverschnee und das jetzt fehlendes Eis erwiesen sich als denkbar ungünstige Kombination. Die Absicherung war somit nur noch in feinen Felsrissen mittels Peckern und Schlaghaken möglich. Bald erkannte ich, dass bei dieser Schneemenge ein Vorankommen mit den Eisgeräten in endlicher Zeit schier unmöglich war. Was nun, sollten wir versuchen abzuseilen, so kurz vor unserem Ziel…
Bild: Eisklettern in der Coqueugniot-Guillot  

Doch dann kam mir eine Idee. Vorsichtig, ohne das Gleichgewicht zu verlieren, fischte ich die Lawinenschaufel aus meinem Rucksack und begann zu graben. Die einzige Chance, den Grat zu erreichen, bestand darin, im losen Schnee kleine Podeste auszuschaufeln, sie so weit zu verdichten, dass man darauf stehen konnte und anschließend die Wechte an ihrer schwächsten Stelle zu durchbrechen. Fast zwei Stunden später konnte ich den letzten Standplatz einrichten und Luis nachsichern. So standen wir am späten Nachmittag erschöpft, aber glücklich am Ziel unserer Tour und genossen die Aussicht. Angesichts der fortgeschrittenen Zeit entschieden wir uns gegen den Weiterweg zum Gipfel, um noch im Hellen abseilen zu können. Mit dem letzten Tageslicht erreichten wir unseren Schlafplatz, wo Bliemsi bereits auf uns wartete. Da ein Wetterumschwung bevorstand, stiegen wir noch im Dunkeln ins Tal ab und verbrachten dort eine weitere Nacht, bevor wir am nächsten Morgen zu unserer Unterkunft zurückkehrten.
Bild: Schneereiche letzte Seillänge

Leider blieb uns in den folgenden drei Wochen ein weiteres Wetterfenster verwehrt. Ständiger Schneefall und stürmische Winde von bis zu 150 km/h machten jeden Ausflug in die Berge unmöglich. Für uns alle war das natürlich eine große Enttäuschung. So verbrachten wir die restliche Zeit mit Bouldern und Klettern in der näheren Umgebung, bevor es zurück nach Hause ging. Beim Bergsteigen lässt sich das Wetter nun einmal nicht bestimmen und dieses Mal war das Glück wohl einfach nicht auf unserer Seite. Nichtsdestotrotz bleiben viele Eindrücke und positive Erinnerungen an die beeindruckenden Berge rund um El Chaltén.